Bond Graph Modeling of Chemical Reaction Dynamics

Zusammenfassung

Diese Arbeit entstand 1989/90 im Rahmen eines Integrierten Auslandsstudiums zwischen dem Institut für Energiewirtschaft und Rationelle Energieanwendung der Universität Stuttgart und dem Department of Nuclear and Energy Engineering der University of Arizona Tucson, USA. Die Programmleiter waren in Stuttgart Prof. Dr.-Ing. Voß and in Tucson Prof. Dr. Seals. Die ersten neun Monate dieses Austauschprogramms wurden vom Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) mit einem Stipendium gefördert. Die vorliegende Arbeit wurde von Prof. Dr.-Ing. F.E. Cellier, Associate Professor am Department of Electrical and Computer Engineering, betreut. Prof. Cellier's Forschungsschwerpunkt liegt seit einigen Jahren in der Entwicklung neuer Verfahren zur Modellbildung and Simulation, sowie im Softwaredesign in der Simulationstechnik, der computergestützten Modellierung und dem CAD.

Die Idee zum Thema dieser Arbeit "Modellbildung von Chemischen Reaktionsnetzwerken mit Hilfe von Bond Graphen" muss man zusammen mit dem Ziel sehen, ein allgemeingültiges Verfahren zur dynamischen Beschreibung gemischter Energiesysteme zu entwickeln. Dabei hatte Prof. Cellier schon früh erkannt, dass das graphische Konzept der Bond Graphen sich als vorteilhaft and leistungsstark erweist, komplexe und verkoppelte Systeme verschiedener physikalischer Disziplinen modul-hierarchisch zu modellieren. Einige Ergebnisse dieser Arbeit verwendet Prof. Cellier im neunten Kapitel seines ersten von zwei Büchern, das verschiedene Verfahren der Modellbildung umfassend erklären wird. Der erste Band erscheint im Winter 1990 im Springer-Verlag, New York.

Wie gelangt man vom System chemischer Reaktionen zu deren Simulation? Man stellt zuerst Modellgleichungen eines Systems auf, die man mit Hilfe der Methode der Bond Graphen in einem Bond-Graphen-Modell beschreibt; dieses graphische Modell wird in einer Modellierungssprache, in dieser Arbeit der Modellierungssprache DYMOLA, codiert, welche dann die Zustandsgleichungen des Modells generiert. DYMOLA kompiliert anschließend das DYMOLA Programm in den Code der Simulationssprache DESIRE. Damit ist es dann möglich, das Modell mit einem Rechner zu simulieren.

Zuerst werden in der vorliegenden Arbeit die Methode der Bond Graphen und die Modellierungssprache DYMOLA allgemein eingeführt und anhand eines Beispiels eines elektrischen Stromkreises veranschaulicht. Anschließend folgt die Anwendung der Methode der Bond Graphen auf chemische Reaktionen unter der Annahme von geschlossenem System und idealer Gase.

Das Konzept der Bond Graphen basiert auf der Betrachtung von Energieflüssen und dem Aufstellen von Leistungsbilanzen. So kann jedes physikalische System durch Bond Graphen durch Leistungsbetrachtung analog beschrieben and verschiedene physikalische Systeme durch das Aufstellen von Leistungsbilanzen verkoppelt werden. Zum Beispiel stellt ein Bleiakkumulator im Auto einen elektrochemischen Koppler dar. Bond-Graphen-Modelle sind modular strukturiert and bewahren gleichzeitig die topologische wie auch die rechentechnische Struktur. Strukturelle Singularitäten und algebraische Schleifen können im Bond-Graphen-Modell aufgedeckt werden.

Die Modellierungssprache DYMOLA hat sich unter verschiedenen anderen Sprachen wie ENPORT-7, THTSIM, CAMAS und CAMP als die leistungsstarke Sprache erwiesen, Bond-Graphen-Modelle in einen Computercode zu übertragen. DYMOLA besitzt selbst keinen eigenen Simulationskern sondern stellt einen Preprozessor dar, der hierarchisch modular strukturierte DYMOLA Codes in Codes von flachen Simulationssprachen wie DESIRE, SIMNON oder FORTRAN umwandelt.

Zur dynamischen Beschreibung von chemischen Reaktionen idealer Gase im geschlossenen System benötigt man vier Bestimmungsgleichungen neben zwei thermodynamischen Zwängen (z.B. konstante Temperatur und konstanter Druck) zum Bestimmen der sechs Unbekannten in der Gibbs'schen Fundamentalgleichung, die als Basisgleichung des Modells dient. Die vier Gleichungen sind: Die Molenbilanz, die man aus der chemischen Reaktionskinetik erhält, eine Zustandsgleichung -in dieser Arbeit wind die ideale Gasgleichung verwendet- und zwei Leistungsbilanzen, die sich beide aus der Gibbs'schen Fundamentalgleichung herleiten lassen und von denen sich eine als Gibbs-Duhem-Gleichung herausstellt.

Zur Darstellung der Modellgleichungen in Bond Graphen verwendet man sowohl Basiselemente der Bond-Graphen-Methode (dies sind drei Verbindungselemente der Bond Graphen: die Molenbilanz bzw. die Bilanz der chemischen Leistung werden in der sogenannten "0-junction" bzw. "1-junction" aufgestellt, und die stöchiometrischen Koeffizienten der Reaktionsgleichungen werden in den "Transformern" berücksichtigt) und neue Bond Graph Elemente, die den verschiedenen chemischen Reaktionen angepasst sind und die Berechnung der Leistungsbilanzen und der Zustandsgleichung enthalten.

Als Beispiel einer chemischen Reaktion wird die Brom-Wasserstoff Reaktion behandelt, die nach Herzfeld und Polanyi durch fünf Reaktionsgleichungen beschrieben wird. Diese Reaktion wird als Bond-Graphen-Modell für drei verschiedene Fälle dargestellt: den isotherm-isochoren Fall, den isotherm-isobaren Fall und den isobar-isentropen Fall. Für jedes einzelne Bond-Graphen-Modell wird ein DYMOLA Hauptprogramm erstellt, das die DYMOLA Module für die Bond-Graphen-Elemente wie einzelne Bausteine verknüpft. Anschließend wird das DYMOLA Programm in ein DESIRE Programm kompiliert und simuliert.

Das Fazit dieser Arbeit ist: Bond Graphen haben sich als graphisches Verfahren bewährt, das dynamische Verhalten physikalischer Systeme hierarchisch modular zu beschreiben. Die Bond-Graphen-Modelltopologie entspricht der Systemtopologie, die rechentechnische Struktur bleibt gewahrt, und es werden algebraische Schleifen und strukturelle Singularitäten aufgedeckt. Wie bei jedem graphischen Verfahren wird auch das Bond-Graphen-Modell schnell für große Systeme unübersichtlich. Dem kann man aber durch Bildung von neuen modularen Bond-Graphen-Elementen entgegenwirken.

Das Modell der betrachteten chemischen Reaktion wurde unter strengen Annahmen aufgestellt: abgeschlossenes System, ideale Gase, dynamische Verwendung der idealen Gasgleichung, die eigentlich nur in der Umgebung des Gleichgewichts gültig ist.

DYMOLA erwies sich leistungsstark, Bond Graphen Modelle zu codieren. DYMOLA setzt automatisch die Kausalitäten der Modellgleichungen und ist fähig, nach einer beliebigen Variablen einer Gleichung aufzulösen, so dass Modulduplizierungen vermieden werden. Daneben hat DYMOLA noch programmtechnische Schwächen, deren Beseitigung einigen Aufwand erfordern werden.

DESIRE zeichnet sich durch eine schnelle Kompilierung aus, reagiert aber nicht robust auf Variationen von Simulationsparametern. Prof. Cellier plant, die lang erprobte and bewährte Simulationssprache ACSL DYMOLA nachzuschalten.

Diese Arbeit sollte als Motivation dienen, die Technik der Bond Graphen weiter zu entwickeln; ein zukünftige Anwendung besteht zum Beispiel darin, Apparate der Verfahrenstechnik in einer Bibliothek von Bond-Graphen-Elementen abzulegen, die man beim Anlagendesign nach dem Baukastenprinzip miteinander verschalten müsste.


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Modifiziert: 19. Juni 2006 -- © François Cellier