Modellierung und Simulation des menschlichen kardiovaskulären Systems in Dymola/Modelica unter Verwendung von Bondgrafen

Methodik

Dymola ist die heute am weitest entwickelte Software zur Modellierung und Simulation physikalischer Systeme. Dymola ist voll objektorientiert und bietet dem Anwender eine graphische Oberfläche an, die es erlaubt, auch sehr komplexe Systeme so zu modellieren, dass die resultierenden Modelle einfach wartbar bleiben [1].

Um die Wartbarkeit der Modelle zu maximieren ist es nützlich, so weit hinunter wie möglich grafisch zu modellieren, d.h. den Übergang zur Gleichungsmodellierung so spät wie möglich vorzunehmen. Bondgrafen [2] eignen sich besonders gut zur Modellierung komplexer physikalischer Vorgänge, weil sie die primitivste grafische Modellierungsmethodik darstellen, die noch voll objektorientiert ist. Der Übergang von der Ebene der Bondgrafen zur Gleichungsebene ist trivial und so generisch, dass er ein für allemal programmiert werden kann. Somit muss der Anwender einer Bondgrafenbibliothek kaum je irgendwelche physikalischen Phänomene mittels Gleichungen beschreiben.

Status Quo

In [3] wurde ein Modell des menschlichen kardiovaskulären Systems unter Einschluss der Hämodynamik sowie der nervösen Ansteuerung auf Fortranbasis programmiert. Dabei wurde die Hämodynamik deduktiv durch Differentialgleichungen abgebildet, während die nervöse Ansteuerung induktiv durch fünf separate NARMAX Modelle nachgebildet wurde.

In [4,5] wurde das hämodynamische Untermodell auf die Simulationssprache ACSL übertragen, um dessen Lesbarkeit zu verbessern. Es wurde ein neues Untermodell der nervösen Ansteuerung basierend auf der Fuzzy Inductive Reasoning (FIR) Methode [6] erstellt. Es wurde gezeigt, dass sich FIR wesentlich besser als NARMAX eignet, um die gemessenen Steuercharakteristiken nachzubilden.

In [7] wurde das hämodynamische Untermodell auf die Dymola Modellierungsumgebung unter Einbindung der Bondgrafenbibliothek [2] übertragen. Die neue Version des Modells ist voll grafisch ausgelegt. Zum ersten Mal verfügen wir seither über eine Beschreibung der Hämodynamik, die nicht nur von Programmierern, sondern auch von medizinisch geschultem Personal verstanden werden kann.

In [8] wurde auch das Untermodell der nervösen Ansteuerung auf Dymola übertragen, so dass nun das kardiovaskuläre System mit hoher Auflösung in Dymola/Modelica modelliert und simuliert werden kann.

Aufgabenstellung

Leider ist das bisher verfügbare Modell des kardiovaskulären Systems noch nicht sehr gut manipulierbar. Das Einzige, was leicht gemacht werden kann, ist die Messdaten eines Patienten durch diejenigen eines anderen Patienten zu ersetzen.

Wie können/sollen die Simulationsresultate interpretiert werden? Wie können Krankheitsbilder aus den Simulationsdaten ermittelt und kommuniziert werden? Wie können Parameterwerte besser gebündelt werden, so dass sie durch medizinisch geschultes Personal einfacher manipuliert werden können? Dies sind einige der Fragen, die in dieser Arbeit abgeklärt werden sollen.

Wie kann das Modell des Herzens besser isoliert werden? Ist es möglich, das Modell des Herzens aus dem Gesamtmodell zu entfernen und durch ein Modell einer Herz-Lungenmaschine zu ersetzen? Kann ein Schrittmacher ins Modell eingesetzt werden, um die Funktion des Herzens zu unterstützen? Dies sind weitere Fragen, die in dieser Arbeit erörtert werden sollen.

Bei der Neuinterpretation des Modells der Hämodynamik durch Bondgrafen stellte sich heraus, dass einige wenige Widerstandswerte negativ sind. Dies ist physikalisch nicht sinnvoll. Es soll darum abgeklärt werden, woher diese negativen Widerstandswerte kommen, und wie diese in physikalisch sinnvoller Weise abgefangen werden können.


Referenzen

  1. Brück, D., H. Elmqvist, H. Olsson, S.E. Mattsson (2002), Dymola for Multi-Engineering Modeling and Simulation, Proc. 2nd International Modelica Conference, Oberpfaffenhofen, Deutschland, pp. 55:1-55:8.

  2. Cellier, F.E. and A. Nebot (2005), The Modelica Bond Graph Library, Proc. 4th International Modelica Conference, Hamburg, Deutschland, Vol.1, pp. 57-65.

  3. Vallverdú, M. (1993), Modelado y Simulación del Sistema de Control Cardiovascular en Pacientes con Lesiones Coronarias, Doktorarbeit, Institut de Cibernètica, Universitat Politècnica de Catalunya, Barcelona, Spanien.

  4. Nebot, A. (1994), Qualitative Modeling and Simulation of Biomedical Systems Using Fuzzy Inductive Reasoning, Doktorarbeit, Institut de Cibernètica, Universitat Politècnica de Catalunya, Barcelona, Spanien.

  5. Nebot, À., F.E. Cellier, and M. Vallverdú (1998), Mixed Quantitative/Qualitative Modeling and Simulation of the Cardiovascular System, Computer Methods and Programs in Biomedicine, 55(2), pp.127-155.

  6. Cellier, F.E., À. Nebot, F. Mugica and Á. de Albornoz (1996), Combined Qualitative/Quantitative Simulation Models of Continuous-Time Processes Using Fuzzy Inductive Reasoning Techniques, Intl. J. General Systems, 24(1-2), pp.95-116.

  7. Cellier, F.E. and A. Nebot (2005), Object-oriented Modeling in the Service of Medicine, Proc. 6th Asia Simulation Conference, Beijing, China, Vol.1, pp. 33-40.

  8. Cellier, F.E. and V. Sanz (2009), Mixed Quantitative and Qualitative Simulation in Modelica, Proc. 7th International Modelica Conference, Como, Italien, pp. 86-95.


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Modifiziert: 13. Dezember 2011 -- © François Cellier